Das Videoband mit den jüngsten Lebenszeichen von Hanns Martin Schleyer... Bis an die Grenzen zu gehen... "Der Staat wird sich nicht erpressen lassen." Untertitel: WDR mediagroup digital GmbH im Auftrag des WDR Stuttgart Stammheim. Neben der Justizvollzugsanstalt entsteht ein neues Hochsicherheitsgebäude. Hier wird der Prozess stattfinden gegen die Terroristen Andreas Baader, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof, Genannt die Baader-Meinhof-Bande. Mit Sprengstoff- anschlägen und Attentaten haben sie das Land in Angst und Schrecken versetzt. Der Prozess erregt großes Aufsehen. Doch der Terror ist damit noch lange nicht vorbei. Der Prozess beginnt im Mai 1975. Er stößt auf großes Interesse der Öffentlichkeit und findet unter strengen Sicherheitskontrollen statt. 3 Verteidigern wird der Zutritt verwehrt. Man wirft ihnen vor, mit den Terroristen gemeinsame Sache zu machen. Ich hätte gerne den Haupteingang benutzt für die Verteidiger, ich möchte in den Sitzungssaal. Ich bin Verteidiger von Jan-Carl Raspe. Ich hab das Recht, hier reinzugehen. Es ist abgelehnt. Der Verdacht der Komplizenschaft wird sich zum Teil bestätigen. Einige der Anwälte helfen, geheime Nachrichten zu überbringen. Auch Waffen und andere Gegenstände werden in das Gefängnis geschmuggelt. Während des Prozesses zerstreiten sich die RAF-Terroristen. Ulrike Meinhof trifft dies besonders schwer. Sie wird von Andreas Baader und Gudrun Ensslin zunehmend angegriffen. Völlig isoliert sieht sie für sich keine Perspektive mehr. In der Nacht zum 9.5.1976 erhängt sie sich am Fensterrahmen ihrer Zelle. (Protestrufe) Ulrike Meinhof, das war Mord, Ulrike Meinhof, das war... Viele ihrer Anhänger bezweifeln die These vom Selbstmord. Sie treffen sich vor den Gefängnismauern zu einer Protestkundgebung, denn sie sind überzeugt, Meinhof sei getötet worden. (Protestrufe) Ulrike Meinhof, das war Mord. Nach 2 Obduktionen gilt als erwiesen, Meinhof hat sich selbst umgebracht. Während in Stammheim der Prozess gegen die Köpfe der RAF läuft, verübt eine 2. Generation von Terroristen neue Anschläge. Im April 1977 wird General- bundesanwalt Siegfried Buback in Karlsruhe ermordet. Buback war für die Anklageschrift gegen Baader, Ensslin und Meinhof verantwortlich. Auch 2 seiner Begleiter müssen sterben. Die RAF bezeichnet das Attentat als Hinrichtung, sie will sich für die Inhaftierung ihrer Mitkämpfer rächen. 3 Wochen später ergeht in Stammheim das Urteil gegen Baader, Ensslin und Raspe. Lebenslange Haft für alle. Knapp 2 Jahre hat der Prozess gedauert. Um ihre Freilassung zu erzwingen, plant die RAF eine neue Reihe von Geiselnamen. "Hier ist das Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau." Eine der geplanten Entführungen wird zum Mord. Guten Abend meine Damen und Herren. Auf Jürgen Ponto, einer der bedeutendsten deutschen Bankiers, ist heute Nachmittag ein Attentat verübt worden. Ponto, Vorstandsvorsitzender der Dresdner Bank, wurde vor seinem Haus in Oberursel niedergeschossen und schwer verletzt. Nach dem Attentat, an dessen Folgen Ponto stirbt, verstärkt die Polizei die Fahndung. Es herrscht Angst in Deutschland. Wer das geringste Verständnis für die Terroristen zeigt, gilt als Sympathisant und macht sich verdächtig. Dann, wenig später, der nächste Schock. 5 Wochen nach der Ermordung des Bankiers Ponto ist am Abend auf den Vorsitzenden der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Hanns Martin Schleyer ein Attentat verübt worden. Er wurde möglicherweise entführt. Schleyer, der im Dritten Reich Mitglied der SS war, ist für die RAF ein Hauptvertreter des verhassten kapitalistischen Systems. Beim Attentat werden seine 4 Begleiter, ein Fahrer und 3 Polizisten, erschossen. Die Maschinenpistolen hatten die Terroristen in einem Kinderwagen versteckt. Am selben Abend wendet sich Bundeskanzler Helmut Schmidt in einer Fernsehansprache an die Entführer. Während ich hier spreche, hören irgendwo die schuldigen Täter zu. Sie mögen in diesem Augenblick ein triumphierendes Machtgefühl empfinden. Aber sie sollen sich nicht täuschen. Der Terrorismus hat auf die Dauer keine Chance. Kurz darauf schicken die Entführer das 1. Foto von Schleyer. Danach ein Video. Sie wollen Schleyer erst freilassen, wenn die inhaftierten RAF- Terroristen aus den Gefängnissen entlassen werden. Die bundesdeutsche Öffentlichkeit und die Medien kennen nur noch ein Thema: den Terror. In Bonn fragen sich die Politiker, soll man den Terroristen nachgeben? Für Helmut Schmidt stellt sich die Frage, was ist wichtiger? Das Leben eines Menschen oder die Handlungsfähigkeit des Staates? Im Bundestag verliest er einen Apell, in dem er die Terroristen zur Besinnung ruft. Beenden Sie Ihr irrsinniges Unternehmen. Sie irren sich. Wir werden uns von Ihrem Wahnsinn nicht anstecken lassen. Sie halten sich für eine ausgewählte kleine Elite, welche ausersehen sei, so schreiben sie, die Massen zu befreien. Sie irren sich, die Massen stehen gegen sie. Die Verhandlungen ziehen sich wochenlang hin. Immer wieder schicken die Entführer Fotos und Videobände als Beweis, dass Schleyer noch lebt. Ich frage mich in meiner jetzigen Situation, muss denn wirklich noch etwas geschehen, um in Bonn eine Entscheidung zu ermöglichen? Das Ultimatum läuft am Sonntag... Die Entführer stellen immer wieder neue Ultimaten. Eins davon ist der 16.10.1977. Wenn bis zu diesem Zeitpunkt die 11 geforderten Gefangenen ihr Ziel nicht erreicht haben, wird Hans Martin Schleyer erschossen. Dann verschärft sich die Lage weiter. Am 13.10. entführen 4 palästinensische Terroristen, die mit der RAF zusammenarbeiten, ein Flugzeug. Eigentlich sollte die Lufthansa- Maschine Urlauber von Mallorca zurück nach Deutschland fliegen. Nun landet sie in Mogadischu, der Hauptstadt von Somalia. Die Entführer werfen den erschossenen Piloten über eine Rutsche auf die Landebahn. Sie wollen den Druck auf die Bundesregierung erhöhen. Nach 5 Tagen stürmt die GSG 9, eine Spezialeinheit des Bundesgrenzschutzes, die Maschine. Bis auf eine Frau werden alle Entführer erschossen. Alle Passagiere sind frei. Für einen Moment hat der Staat die Terroristen besiegt. Die Nachricht von der Geiselbefreiung erreicht auch die in Deutschland inhaftierten RAF-Mitglieder. Noch in derselben Nacht haben sich die Terroristen Baader, Rapse und Ensslin das Leben genommen. Irmgard Möller verletzte sich bei einem Selbstmordversuch schwer. Andreas Baader liegt erschossen am Boden. Die Waffe haben seine Verteidiger in das Gefängnis geschmuggelt. Auch Jan-Carl Raspe hat sich erschossen. Gudrun Ensslin hat sich am Fenster erhängt. Der Versuch, sie freizupressen, ist gescheitert. Bei der Beerdigung bringen die Anhänger ihre Überzeugung zum Ausdruck, dass Baader, Raspe und Ensslin ermordet worden seien. Ähnlich wie bei Ulrike Meinhofs Tod. Die offizielle Darstellung geht aber von einem Selbstmord aus. Dann, einen Tag nach dem Tod der Inhaftierten, ein neuer Schock. Der vor mehr als 6 Wochen entführte Arbeitgeberpräsident Schleyer ist, wie so eben von der Nachrichtenagentur AFP und von DPA als offiziell gemeldet wird, ermordet aufgefunden worden. Schleyers Leiche wird in Mülhausen im französischen Elsass im Kofferraum eines Autos gefunden. Die Fahndung nach seinen Mördern läuft auf Hochtouren. Der Staat hat sich nicht erpressen lassen, dafür aber ein Menschenleben geopfert. Nach dem "Deutschen Herbst" ist in der Bundesrepublik nichts mehr, wie es war. Es herrscht Angst vor neuen Anschlägen. Copyright WDR 2015