Hi. Ich bin Marie, ich führe eigentlich ein ziemlich normales Leben. abgesehen davon, dass Karl Marx mit mir spricht. (Marx) Das Reich der Freiheit beginnt da, wo Arbeit aufhört. Versteht ihr, was ich meine? Schräger Typ, aber seine Ideen sind erstaunlich aktuell. Z.B. wenn es um die Ware geht. Untertitel: WDR mediagroup GmbH im Auftrag des WDR "Der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint als eine ungeheure Warensammlung. Unsere Untersuchung beginnt daher mit der Analyse der Ware." Puh, schwere Kost. Und ziemlich an meiner Realität vorbei. Sorry Marx, aber warum soll ich dir da noch weiter zuhören? (Marx) Weil du in einer globalisierten Welt lebst. Waren umgeben dich überall. Und was noch nicht Ware ist, wird bald zu einer gemacht. Marx, bist du das? (Marx) Wer sonst? Schließlich habe ich als einer der Ersten erkannt, dass die Ware ein zentraler Baustein des Kapitalismus ist. Trotzdem, dass du Waren ins Zentrum deiner Kritik stellst... Für mich bleibt das ziemlich an der Oberfläche. (Marx) Gut beobachtet. (spricht mit der Stimme von Marx) Der Kapitalismus baut auf die Oberfläche, auf das Sichtbare. Um dich in seinen Bann zu schlagen. Klingt recht banal, wenn ich ehrlich bin. (Marx) Mit Oberfläche meine ich auch nicht Oberflächlichkeit und Banalität, damit ist vielmehr Ausstrahlung und Inszenierung gemeint. Das beherrscht der Kapitalismus meisterhaft. Wir haben der Ware eigene Glaspaläste gebaut, damit sie darin glänzen kann. Kaufhäuser, Arkaden, und große Schaufenster. Die gläsernen Hallen des Kapitalismus luden die Menschen zum Schlendern und Flanieren ein. Die Ware schuf damals eine Art Aura um sich, was ihren Marktpreis erheblich in die Höhe trieb. Schöne Geschichte Marx, charmant erzählt. Aber am Ende des Tages ging es auch damals nur um so etwas Triviales wie Einkaufen. (spricht mit der Stimme von Marx) Es ging v.a. darum, im Glanz der Warenwelt zu baden. Ans Kaufen musste man dabei nicht unbedingt denken. V.a. nicht das Proletariat. Das konnte sich damals die Waren noch nicht leisten. Ja okay, aber heute leben wir doch in einer Konsumgesellschaft. Kaufen spielt da schon eine enorme Rolle. (Marx) Stimmt. Aber das begann erst mit dem Wirtschaftswunder. In Europa fing man an, nach amerikanischem Vorbild einzukaufen. Waren für alle. Ordentlich aufgereiht in sortimentreichen, großen Geschäften. Zeigen, dass man "hatte" und wer man war. Ich kaufe Waren, also bin ich. Und wenn ich heute gemütlich im shoppen gehe und mir einen Latte Macchiato gönne? (Spricht mit der Stimme von Marx) Dann ist die Warenwelt Teil des Lifestyles geworden. Alles wird warenförmig, wie ich es nenne. Wenn man dich so hört, glaubt man, das ganze Leben steht im Bann des Marktes und der Waren. (Marx) Leider ist es so. Du bleibst auch nicht verschont, Marie. Dort, wo du es gar nicht merkst, bei der Arbeit z.B. Der Lohnarbeiter wird selbst zur Ware. Und zwar dann, wenn er seine eigene Arbeitskraft wie eine Ware an den Kapitalisten verkauft. Das war vielleicht vor 150 Jahren so. Ich habe jedenfalls nicht das Gefühl, dass ich als Arbeiter oder Mensch warenförmig bin. (Marx) Dann wirf mal einen Blick auf die beruflichen Netzwerke. (spricht mit der Stimme von Marx) Skills, Attribute und Eigenschaften sind ablesbar wie in der Produktbeschreibung eines Warenkatalogs. Du machst aus dir selbst eine Ware. Der Arbeitsmarkt ist hart umkämpft. Nur weil ich mich gut bewerbe, heißt das nicht, dass ich mich verkaufe. (Marx) Verkaufen und bewerben ist ein gutes Stichwort. Früher wurden nur die Eigenschaften der Ware beworben. Das Waschmittel wäscht so weiß, das konnte man sehen und riechen. Später wurde das Produkt mit positiven Assoziationen aufgeladen. Kaufe die Ware und dein Leben wird besser. Schnee von gestern. Ich zeig dir, wie das heute geht. Ich präsentiere: Die Werbeshow des Jahrhunderts. (Marx) Ah, der Papst eurer digitalen Warenwelt: Steve Jobs. Er hat seine Produkte angepriesen wie den heiligen Gral. Das ist die letzte Stufe in der Entwicklung der Ware. Aus einem einfachen kaufbaren Produkt habt ihr Digital Natives einen fast religiösen Gegenstand gemacht. Wow, meine Generation toppt eben alles.