Das Videoband mit Lebenszeichen von Hans Martin Schleyer Bis an die Grenzen zu gehen "Der Staat wird sich nicht erpressen lassen." Untertitel: WDR mediagroup digital GmbH im Auftrag des WDR Die Bundesrepublik Deutschland Anfang der 70er-Jahre. Es herrscht Angst im Lande. Eine Gruppe von Terroristen hat dem Staat den bewaffneten Kampf angesagt. Die Rote Armee Fraktion, kurz RAF. Sie wollen das bestehende politische System zerstören. Dazu ist ihnen jedes Mittel recht. Begonnen hat alles als friedlicher Protest. Ende der 60er-Jahre sind viele junge Menschen unzufrieden mit Staat und Gesellschaft. Sie gehen auf die Straße und demonstrieren für eine gerechtere Welt. Ihr Protest richtet sich gegen die westliche Überflussgesellschaft, gegen die Armut in der Dritten Welt und gegen den Krieg in Vietnam. Dort bekämpfen die USA den kommunistischen Norden des Landes. Dass sie dabei Napalm einsetzen, eine gefährliche Waffe, die der Bevölkerung schwerste Verbrennungen zufügt, sorgt weltweit für Entsetzen. Die Lage spitzt sich zu, als im Frühsommer 1967 der Schah von Persien in die Bundesrepublik kommt. Viele protestieren gegen diesen Staatsbesuch. Da bekannt ist, mit welch brutaler Gewalt der Schah sein Land regiert. Die Wut kocht über. Bei einer Demonstration am 02.06.1967 in Berlin wird der Student Benno Ohnesorg erschossen. Von einem Polizisten. Ein Schock. Die Presse sieht die Hauptschuld bei den Demonstranten. Das Wort "Terror" macht zum 1. Mal die Runde. USA aus Vietnam raus, bombt doch mal das Springer-Haus. Viele sehen in dem Berliner Studentenführer Rudi Dutschke den Urheber der Krawalle. Er, die Hauptfigur der Bewegung, gilt manchen als Unruhestifter. Und damit als Gefahr für die Bundesrepublik. An Ostern 1968 wird Dutschke von einem Rechtsradikalen angeschossen. Er überlebt nur knapp. Das Attentat lässt die Stimmung in der Bundesrepublik explodieren. Was als friedlicher Protest begann, hat nun pure Gewalt nach sich gezogen. Die Menschen befürchten weitere Unruhen. Bundeskanzler Kiesinger mahnt zur Toleranz. Das Attentat eines keiner politischen Gruppe angehörigen, abseitigen Verbrechers sollte für uns ein Alarmsignal sein. Gewalt provoziert Gegengewalt, die sich zwangsläufig ständig ausbreiten und steigern muss. Mörder, ihr dreckigen Nazi-Schweine. Kiesinger soll recht behalten. Die Osterunruhen 1968 bringen die Wut auf den Staat und die bürgerliche Presse zum Ausdruck. Besonders die Bild-Zeitung steht in der Kritik. Als Demonstranten die Verlagshäuser des Springerkonzerns blockieren, schlägt die Polizei zurück. Der Großteil der Demonstranten lehnt Gewalt ab. Doch bei ein paar wenigen wächst die Überzeugung, dass man dem Staat mit eigener Gewalt begegnen muss. Im April 1968 gehen in Frankfurt am Main 2 Kaufhäuser in Flammen auf. Der Anschlag soll die westliche Konsumgesellschaft anprangern. Menschen werden keine verletzt. Doch die "Gewalt gegen Sachen", wie es die Terroristen nennen, hat damit ihren Anfang genommen. Die Brandstifter werden gefasst und stehen wenig später in Berlin vor Gericht. Unter den Angeklagten: Andreas Baader. Geboren in München, vorbestraft wegen Autodiebstählen und anderer Verkehrsdelikte. Und Gudrun Ensslin, Pfarrerstochter aus Tuttlingen. Die Beschuldigten versuchen, den Prozess in ein Spektakel umzuwandeln. Und damit die Staatsgewalt lächerlich zu machen. Sie klatschen, lachen und rauchen im Verhandlungssaal Zigarren. Schließlich werden sie zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt. Die Haft wird aber vorrübergehend ausgesetzt. Nach ihrer Verurteilung versucht Gudrun Ensslin, klar zu machen, wie die westliche Überflussgesellschaft die Menschen durch ständigen Konsum vom politischen Geschehen ablenken soll. Die Leute in unserem Land, in Amerika und jedem westeuropäischen Land müssen fressen. Um nicht auf die Idee zu kommen nachzudenken, dass und was wir z.B. mit Vietnam zu tun haben. Schon während des Prozesses lernen Baader und Ensslin die Journalistin Ulrike Meinhof kennen. Meinhof hat sich mit kritischen Artikeln über das westliche System einen Namen gemacht. Sie sieht sich auf der Seite aller unterdrückten Menschen in der Welt. Wir sind engagiert für diejenigen, die sich versuchen zu befreien von Terror und Gewalt. Und wenn ein anderes Mittel als das des Krieges nicht übrig bleibt, sind wir für ihren Krieg. Im Mai 1970 befreit Ulrike Meinhof mit einer Gruppe von Anhängern den inhaftierten Andreas Baader bei einem Freigang. Bei der Schießerei wird ein Mensch schwer verletzt. Die Täter flüchten in den Untergrund. Der Begriff "Baader-Meinhof-Bande" wird geboren. Ihnen schließen sich weitere Menschen an. Bereits im Juni 1970 besteht die Gruppe aus 20 Personen. Sich selbst nennen die Terroristen "Rote Armee Fraktion", RAF. Im Mai 1972 verübt die RAF insgesamt 6 Sprengstoffanschläge. U.a. auf das Springer-Haus in Hamburg und das US-Hauptquartier in Heidelberg. Dabei sterben 4 Menschen. Mehr als 70 werden verletzt. Die Fahndung wird verstärkt. Mit Erfolg. Im Juni 1972 hat die Polizei in Frankfurt am Main 3 der Hauptfiguren der RAF ausfindig gemacht. * Schuss * Die Terroristen Jan-Carl Raspe, Andreas Baader und Holger Meins werden in einer spektakulären Aktion festgenommen. Die Bilder der Verhaftung erregen Aufsehen. Andreas Baader wird bei dieser Aktion ins linke Bein geschossen. Wenig später werden auch Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof festgenommen. Damit ist die 1. Kommandoriege der RAF hinter Gittern. Die Terroristen kommen in Einzelzellen und haben keinen Kontakt. Weder untereinander noch mit anderen Gefangenen. Sie behaupten, menschenunwürdig behandelt zu werden. Als sie in mehrwöchige Hungerstreiks treten, um auf ihre Lage aufmerksam zu machen, werden sie zwangsweise künstlich ernährt. Holger Meins stirbt nach 56 Tagen an den Folgen des Hungerstreiks. Er wiegt am Ende nur noch 39 kg bei 1,83 m Körpergröße. Bei seiner Beerdigung ist, neben Rechtsanwalt Otto Schily, auch der frühere Studentenführer Rudi Dutschke dabei. Der sich inzwischen von seinem Attentat erholt hat. Holger, der Kampf geht weiter. Auch der Terror geht weiter. Im Februar 1975 entführen Unbekannte den Berliner CDU-Spitzenpolitiker Peter Lorenz. Auf einem Foto wird er als Gefangener der "Bewegung 2. Juni" bezeichnet. Der Name soll an den Tod des Studenten Benno Ohnesorg am 02.06.1967 erinnern. Die Entführer wollen Lorenz erst freilassen, wenn 6 ihrer inhaftierten Mitstreiter aus dem Gefängnis entlassen werden. Die Politik lenkt schließlich ein. Die inhaftierten Terroristen werden in den Jemen ausgeflogen, wo sie politisches Asyl bekommen. Kurz darauf kommt Peter Lorenz frei. Der Staat hat sich auf einen Handel mit Terroristen eingelassen. Doch dies wird er bald bereuen. Copyright WDR 2015