Hi. Ich bin Marie, ich führe eigentlich ein ziemlich normales Leben. abgesehen davon, dass Karl Marx mit mir spricht. (Marx) Das Reich der Freiheit beginnt da, wo Arbeit aufhört. Versteht ihr, was ich meine? Schräger Typ, aber seine Ideen sind erstaunlich aktuell. Z.B. wenn es um Geld geht. Untertitel: WDR mediagroup GmbH im Auftrag des WDR "Deutsche Bank macht weiterhin Minus. 2015 lag der Verlust bei 6,8 Mrd. Euro." Das ist doch lächerlich. So viel Geld kann ich mir nicht mal vorstellen. (Marx) Das kann einen schon verrückt machen, oder? Ja, Marx. Also, was deine Fundamentalkritik am Geld angeht, bin ich ja voll bei dir. Aber das war ja nicht immer so. (Marx) Stimmt. Ich habe Folgendes beobachtet: Als Münzen noch aus Gold oder Silber geprägt wurden, entsprach der Geldwert dem des Materials. Heute spielt das Material des Geldes keine Rolle mehr. Es wird nur noch als Tauschwert genutzt, der es dir möglich macht, alles miteinander zu vergleichen. Z.B. den Wert von 10 Säcken Kartoffeln mit 1 h deiner Arbeitszeit. Ich war übrigens der Erste, der diese Revolution beschrieben hat. Kannst du dir eine moderne Welt ohne Geld vorstellen? Wäre doch absurd, wenn ich Kartoffeln gegen einen Kaffee eintauschen müsste. (spricht mit der Stimme von Marx) Ich find absurd, was draus geworden ist. Geld zirkuliert überall, außerhalb unseres greifbaren und alltäglichen Lebens. Beim Bargeld hattest du noch etwas in der Hand. Und jetzt? Bitcoin und Onlinebanking. Marx, jetzt werd nicht wieder nostalgisch. Onlinebanking ist für mich eine Vereinfachung beim Bezahlen, mehr nicht. (Marx) Einfacher, aber auch komplexer. Banknoten aus Papier werden durch bloße Zeichen ersetzt. Zuletzt existiert Geld nur noch als aufblinkende Zahlenreihe im Computer, auf die wir gebannt starren. Ja, und ich bin auch froh, dass es so ist. Wie sonst sollte ich zahlen? Außer mit Geld? (spricht mit der Stimme von Marx) Da hast du recht. Trotzdem verhalten wir uns immer so, als sei Geld das Konkreteste der Welt. Dabei ist es doch das Abstrakteste überhaupt. Durch Abstraktion wird die Welt eben einfacher. Ist das jetzt schlimm? Du selbst bist doch der Theoretiker. (Marx) Der Kapitalismus hört aber nicht beim Geld auf. Er strebt nach mehr Geld und zwar aus Prinzip. Er löst sich von den Bedürfnissen realer Menschen und wird zu einem System. Eine anonyme Kraft, die sich alles einverleibt. Je mehr er hat, desto mehr will er. So wie Onkel Dagobert mit seinem Geldspeicher. (spricht mit der Stimme von Marx) Tatsächlich wäre Dagobert Duck ein dämlicher Kapitalist. Denn er häuft lediglich Geld an, statt daraus Mehrwert zu schaffen. Geld ist nicht gleich Kapital. Kapital ist Geld, das investiert wird, um Profit zu machen. Dabei zahlt der Kapitalist seinem Arbeiter einen kleinen Lohn. Weil der Wert der erbrachten Arbeit aber höher ist als der Lohn, entsteht Gewinn. Mit dem gewonnenen Geld kauft sich der Kapitalist Maschinen, die seine Arbeiter ersetzen. Damit macht die Produktion noch mehr Gewinn, der wiederum investiert wird. Banken und Spekulanten investieren ihr Geld direkt an der Börse. Hier findet ganz ohne Produktion die wunderbare Geldvermehrung statt. Wenn die Kurse dann nach oben gehen, entsteht wie aus dem Nichts neues Kapital. Und irgendwann kommt es zu einer Blase, die platzt. Wie 2008. (Marx) Genau. Eine wichtige Rolle spielte dabei auch die Geldmenge. Die Menge des Geldes in der Welt ist heute weitaus größer als der Wert der Produkte. Das begann damit, dass Richard Nixon beschloss, dass die Menge des Geldes nicht mehr der Menge des gelagerten Goldes entsprechen muss. Ab da wurde fleißig Geld gedruckt. Das Merkwürdige daran: Das stört heute keinen mehr. Kapital ist v.a. ein Versprechen auf zukünftige Gewinne. Geld, das noch gar nicht existiert, aber trotzdem schon investiert wird. All dies ist Kapitalismus ein gefährliches Taumeln zwischen Realität und Fiktion, das ohne Geld nicht möglich wäre. Mein Eindruck ist: Solange man an das Theater glaubt, ist alles gut. (spricht mit der Stimme von Marx) Stimmt. Und mit deinem Girokonto und mit deinen Kreditverschuldungen bei der Bank, bist du auch nur ein Teil des Systems. Ob du nun willst oder nicht. Tja. Und deshalb bin ich auch froh, dass man zwar Geld nicht essen kann, Kartoffeln aber schon. Copyright WDR 2018